Fotografie Blog

von Frank Tegtmeyer, Henstedt-Ulzburg

Randstörungen

Randstörungen

Dieser Artikel ist Teil einer Serie, die Bildkomposition unter Nutzung der Dynamischen Symmetrie und der Gestalttheorie behandelt. In diesem Beitrag geht es um Kontraststörungen am Bildrand (englisch: edge flicker oder auch einfach EF), warum man sie vermeiden sollte und wie man sie vermeidet.

Die Bildgestaltung hat viele Komponenten und selbst wenn man viele davon beachtet, kann man durch Mißachtung eines Prinzips die Wirkung seines Bildes stark verringern oder es im Extremfall sogar ruinieren.
Randstörungen sind in diesem Zusammenhang im wahrsten Sinne des Wortes “störend” und dementsprechend sollte man wissen, ob und wie man sie kontrollieren kann.

Bereich des größten Kontrasts (GAC)

Wiederholen wir noch einmal eines der wichtigsten Designprinzipien in der Bildgestaltung: den Bereich des größten Kontrasts.

Die optische Wahrnehmung des Menschen ist darauf ausgelegt, zuerst Kontraste wahrzunehmen - in der Dämmerung sogar nur tonale Kontraste und keine Farbkontraste. Aus diesem Grund geht unser Blick auf einem Foto oder Gemälde zuerst zum Bereich des größten Kontrasts, wobei hier helle Flächen bevorzugt wahrgenommen werden.

Der Bereich des größten Kontrasts ist also ein sehr, sehr wirksames Gestaltungsmittel zur Steuerung des Blicks des Betrachters. Hiermit wird es möglich, das Interesse des Betrachters gezielt auf das Subjekt des Bildes zu lenken, ihm den Kontext des Subjekts nahezubringen und die Aussage des Bildes zu unterstreichen.

Kontrast hat an den Rändern des Bildes eine noch größere Wirkung - er zieht den Blick gewissermaßen aus dem Bild heraus und das ist etwas, was man in den meisten Fällen vermeiden möchte.

Analyse des Titelbilds

Schauen wir uns das Titelbild einmal genauer bezügelich des Kontrasts an - zur Analyse verwenden wir die Methode, die in den Artikeln für Photoshop beziehungsweise für Affinity Photo vorgestellt wurden.

Randstörungen Analyse

Meine Idee bei dem Bild war, den Blick auf dem Weg in die Ferne zu lenken und dabei die gefallenen Blätter als Sinnbild für den Herbst darzustellen - das Bild entstand unterwegs mit dem Handy und wurde auch gleich vor Ort bearbeitet.

Wie in der Analyse zu sehen ist, ist der größte Kontrast durchaus im Zielbereich vorhanden der zusätzlich noch durch die auf ihn zulaufenden Linien hervorgehoben wird. Allerdings sehen wir rings um das Bild Kontrastbereiche, die um die Aufmerksamkeit des Betrachters konkurrieren.

Der untere Bildbereich hat etliche Bereiche, die Aufmerksamkeit erregen und auch in der linken oberen Bildecke ist so ein Bereich erkennbar. Am störendsten sind aber die starken Kontraste, die durch das Haus in der rechten oberen Ecke erzeugt werden. Direkt auf dem Bildrand haben wir starke Kontraste und auch das gelbe Haus erzeugt einen sehr großen und optisch attraktiven Kontrastbereich, der den Blick anzieht.
Zusätzlich wird durch das Dach auch noch die positive Diagonale (siehe hier) aufgenommen, was die Anziehung für den Blick noch verstärkt.

Das Bild hat also bezüglich Randstörungen einige Mängel, die man beheben könnte.

Abstrakte Beispiele

GAC

Hier in diesem ersten Bild gibt es keine Randstörungen. Das Subjekt (die weiße Kreisfläche) zieht sofort den Blick auf sich. Interessanter wird es, wenn eine weitere Kreisfläche am Rand hinzukommt.

GAC plus EF

Welcher helle Fleck zieht Ihren Blick am meisten an? Bei mir ist es definitiv der Fleck am Rand und das geht auch den meisten anderen Menschen so.
Wir können also festhalten, dass Kontraste an den Rändern des Bildes den Blick stark auf sich ziehen - meistens stärker als die Kontrastbereiche in anderen Bereichen des Bilds.

Konkrete Beispiele

Im folgenden Bild des Malers William Adolphe Bouguereau sehen Sie ein Beispiel für ein Bild ohne Randstörungen. Der Blick geht ohne Ablenkung auf das Subjekt des Gemäldes.
Der blaue Fleck auf der Wand könnte den Blick anziehen, die Wirkung wird jedoch durch den geringen Helligkeitskontrast und die gedämpfte Farbe reduziert.

Beachten Sie einmal, wie die Kanten der Stufe an den Bildrändern dargestellt werden - dort hat der Maler den Kontrast der Stufe reduziert.

Bouguereau / The difficult lection

Das folgende Foto kann Ihnen in der einen oder anderen Form überall im Internet begegnen und die meisten Betrachter werden darin ein “schönes” Foto sehen. Die dargestellte Landschaft ist auch sehr schön. Bezüglich Randstörungen weist es aber einige Schwächen auf.
Sowohl der Hochnebel am linken Bildrand als auch die Zweige und das Gras am unteren Bildrand lenken den Blick vom Hauptmotiv, der Baumgruppe mit der kleinen Wiese und dem Ufer des Teichs ab.

unsplash-logoAles Krivec

Foto von Ales Krivec

Ein etwas kleinerer Ausschnitt würde das Subjekt besser zur Geltung bringen, auch wenn dadurch etwas vom Kontext verlorengeht. Und damit kommen wir zur Behandlung von Randstörungen.

Bearbeitung von Randstörungen

Wie schon erwähnt, kann man den Bildaussschnitt so wählen, dass störende Elemente am Bildrand wegfallen.

Hier eine Version des Bildes, bei der schon einige Probleme beseitigt sind:

Foto von Ales Krivec

Das Gras am unteren Bildrand ist schon verschwunden, ebenso der helle Baum am rechten Bildrand und einige der Zweige am linken unteren Bildrand.

Im nächsten Schritt werden die Zweige am linken unteren Bildrand und die hellsten Elemente im Gras und den Bäumen am rechten und linken Bildrand entfernt. Auch die helle Reflexion im Wasser am unteren Bildrand wird bearbeitet.

Foto von Ales Krivec

Damit ist bezüglich Randstörungen schon einen guter Stand erreicht.

Die übliche Vorgehensweise

Die übliche Vorgehensweise, Randstörungen zu vermindern und den Blick mehr in die Bildmitte zu lenken ist der Einsatz einer (dunklen) Vignette.

Hier ein Beispiel:

Foto von Ales Krivec

Diese Variante ist allerdings sehr offensichtlich und entzieht dem Bild einen Teil der Lebendigkeit - die Ränder wirken einfach “tot”. Es gibt einen viel besseren Weg, die Randstörungen in ihrer Wirkung zu dämpfen.

Simultankontrast

Eine für Fotografen (und Maler und Designer) sehr interessante Eigenschaft des Kontrasts ist der sogenannte Simultankontrast - auch Kontrastverstärkung genannt.

Damit wird ein Effekt beschrieben, der dafür sogt, dass die Helligkeit von Flächen nicht nur von der Fläche selbst abhängt, sondern auch sehr stark von Nachbarflächen. Es handelt sich hierbei um einen psychologischen Effekt, den man für die Kontrolle des Kontrasts sehr gut einsetzen kann.

Hier eine Verdeutlichung des Prinzips:

Simultankontrast

Schauen Sie sich die beiden grauen Quadrate an - das rechte ist dunkler als das linke, richtig?

Genau das ist die Wirkung des Simultankontrasts - beide Quadrate haben genau die gleiche Farbe. Das umgebende Schwarz läßt das graue Quadrat heller erscheinen, das umgebende Weiß läßt das graue Quadrat dunkler erscheinen.

Diese Wirkung können wir uns zu Nutze machen, indem wir die hellen Bildbestandteile an den Bildrändern leicht abdunkeln. Dadurch wirken auch die dunklen Bildbestandteile etwas heller. Wenn man dann noch die dunklen Bildbestandteile leicht aufhellt, hat man eine effektive Kontrastreduktion erreicht.
Natürlich darf man dabei nicht übertreiben - ansonsten wirkt auch bei dieser Variante das Bild an den Rändern tot.

Hier eine Variante, bei der eine Aufhellung der dunklen Bildbestandteile und eine Abdunklung der hellen Bildbestandteile am Bildrand durchgeführt wurde.

Foto von Ales Krivec

Ich hoffe, dass ich Ihnen einige Anregungen geben konnte, wie man Randstörungen vermeidet bzw. ihre Wirkung vermindern kann.

Schauen Sie bald mal wieder rein!


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