Design-Elemente: Bereich des größten Kontrasts
Dieser Artikel ist Teil einer Serie, die Bildkomposition unter Nutzung der Dynamischen Symmetrie und der Gestalttheorie behandelt. In diesem Beitrag geht es um den Bereich des größten Kontrasts (englisch: greatest area of contrast oder auch GAC) in einem Bild, der gezielt zur Bildgestaltung eingesetzt werden kann.
Das Grundgerüst der Dynamischen Symmetrie ist hilfreich, um seine Bildelemente
geeignet anzuordnen. Aber ebenso wie einem die Drittelregel alleine nicht zu einem
guten Bild verhilft, kann das auch die Dynamische Symmetrie nicht alleine leisten.
Auch eine gute Figur-Grund-Beziehung
reicht unter Umständen nur in Verbindung mit dem Bereich des größten Kontrasts
aus, um die gewünschte Bildwirkung zu erzielen.
Bereich des größten Kontrasts (GAC)
Nach der Figur-Grund-Beziehung ist der Bereich des größten Kontrastes das zweitwichtigste Design-Element für Ihre Bilder. Es kann sein, dass Sie eine wunderbar klare Figur-Grund-Beziehung haben - ein falsch gesetzter Bereich des größten Kontrastes kann Ihr Bild trotzdem ruinieren.
Die optische Wahrnehmung des Menschen ist darauf ausgelegt, zuerst Kontraste wahrzunehmen - in der Dämmerung sogar nur tonale Kontraste und keine Farbkontraste.
Aus diesem Grund geht unser Blick auf einem Foto oder Gemälde zuerst zum Bereich des größten Kontrasts, wobei hier helle Flächen bevorzugt wahrgenommen werden. Entscheidend ist aber nicht nur die Stärke des Kontrastes, sondern auch die Größe der Flächen, die diesen Kontrast bilden. Zwei große nebeneinander liegende Flächen mit starkem Kontrast werden unter Umständen gegenüber einer kleinen noch kontrastreicheren Stelle im Bild bevorzugt wahrgenommen.
Der englische Begriff: greatest area of contrast (GAC) ist insofern nicht falsch, auch wenn es meiner Meinung nach eher “area of greatest contrast” heißen sollte.
Der Bereich des größten Kontrastes bezieht sich nur auf die tonalen Kontraste. Farbkontraste sind nicht der Gegenstand - diese werden durch andere Design-Mittel abgedeckt.
Wenn Sie wissen wie das Auge des Betrachters durch den Bereich des größten Kontrastes gelenkt werden kann, haben Sie die Möglichkeit genau festzulegen, wohin der Blick zuerst geht. Das ist der Ort, an dem sich Ihr Subjekt befindet, wo das Bild am schärsten sein sollte und an dem sich alle anderen Bildteile orientieren.
Helle Flächen bevorzugt
Wie weiter oben schon erwähnt, sucht das Auge bevorzugt nach hellen Flächen in einer kontrastreichen Umgebung. Platzieren Sie Ihr Subjekt also nicht in dunklen Bereichen - es sei denn, das ist Teil Ihres Bildkonzeptes. Selbst wenn Sie in einem dunklen Bereich den GAC angeordnet haben, können helle Bildbereiche die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Besonders störend ist das an den Bildrändern
- ich nenne das deshalb einmal Randstörungen. Im englischen nennt sich das “edge flicker”.
Schauen wir uns ein Beispielbild von mir an:

Auf den ersten Blick sieht das Bild bezüglich GAC gut aus (ist es auch), allerdings gibt es dennoch Verbesserungsmöglichkeiten.
Hier die Analyse:

Der Bereich des größten Kontrasts ist klar erkennbar - rund um die Personen und vor allem den Hund. In der rechten unteren Ecke ist eine Randstörung erkennbar, die die Aufmerksamkeit des Betrachters ablenken kann - hier wäre es besser gewesen, wenn ich die Helligkeit des Sonnenflecks reduziert hätte.
Oberhalb der Personen ist ebenfalls ein sehr heller Bereich zu erkennen, dieser kontrastiert jedoch nicht direkt mit den dunklen Bildbereichen, so wie das bei den Personen und dem Hund der Fall ist. Ausserdem ist der Bereich kleiner und liegt in der Richtung, aus der das Licht kommt - und hier kommen wir gleich zu den Ausnahmen für GAC.
Ausnahmen
Ausnahmen gibt es eigentlich für alles und das ist beim Bereich des größten Kontrasts ebenso. Kontraste und helle Bereiche, die unser Unterbewußtsein als “normal” ansieht, werden vom Blick nur kurz gestreift und als bekannt abgetan. Beispiele sind:
- Licht, das von Metall, Glas oder Wasser reflektiert wird
- direktes Sonnenlicht
- heller Himmel
- Lampen
Werden diese Dinge erkannt, wandert der Blick weiter zum eigentlichen Bereich des größten Kontrasts.
Beispiele mit Analyse
Schwanenparade
Das ist sicherlich ein Extrembeispiel. Auf den ersten Blick zeigt die Analyse
riesige helle Bereiche, die aber bei genauerer Betrachtung unter die Ausnahmen
fallen, nämlich heller Himmel und Lichtreflexion auf dem Wasser.
Der größte Bereich mit starkem Kontrast sind die beiden Schwäne, die sich extrem
vom dunklen Schatten der Brücke abheben.


Kleiner Wasserfall
Wären mir damals die Kontrastbereiche bewußt gewesen und hätte ich die Analyse angewendet, hätte ich sicher noch einige kleine Änderungen in der Bearbeitung vorgenommen. Der Bereich des größten Kontrasts ist zwar klar beim Wasserfall angesiedelt, die Steine im Vordergrund erzeugen aber eine Randstörung, die ich hätte vermeiden können.


Portrait
Beim folgenden Portrait hatte ich das Kontrastprinzip intuitiv angewendet. Das Ergebnis ist ganz o.k. - der größte helle Bereich liegt auf Brust, Haaren, Gesicht und direkt neben dem Gesicht. Der Schatten des Kopfes auf den Haaren bildet den dunklen Kontrastpunkt. Das Gesicht ist sozusagen der Puffer zwischen beiden Bereichen.


Portrait 2
Hier habe ich schon bewußt auf den Bereich des größten Kontrasts geachtet - allerdings während der Bearbeitung ohne Analyse. Das Ergebnis ist auch gut, der helle Bereich auf der Brust konkurriert aber dennoch etwas mit dem Gesicht.


Analyse
Für das Programm Affinity Photo zeige ich, wie die Analyse durchgeführt werden kann in diesem Artikel. Und für Photoshop-Benutzer beschreibe ich es in einem anderen Artikel.
Für Photoshop-Benutzer gibt es außerdem ein englisches Video von Tavis Leaf Glover auf Youtube:
Über die Einstellungen lassen sich die Untertitel einschalten und diese können auch automatisiert auf Deutsch übersetzt werden.
Falls Sie Interesse an Dynamischer Symmetrie und Gestalt-Theorie gefunden haben, schauen Sie wieder mal rein!