Das Goldene Rechteck
Das Goldene Rechteck ist eine der bekanntesten Rechteckformen, da es in enger Beziehung zum Goldenen Schnitt steht. Andere Namen sind Phi-Rechteck oder auch Rechteck der wirbelnden Quadrate. Der Artikel behandelt die Konstruktion des Rechtecks und seine besonderen Eigenschaften.
Dieser Artikel ist Teil einer Serie, die Bildkomposition unter Nutzung der Dynamischen Symmetrie und der Gestalttheorie behandelt. Teilweise werden Kenntnisse aus den anderen Artikeln vorausgesetzt. Am besten ist es, alle Artikel der Serie zu lesen.
Im Artikel Wurzel-Rechtecke (Teil 2) bin ich darauf eingegangen, dass die Wurzel-Rechtecke ein System von Rechtecken bilden, die alle vom Quadrat abstammen. Ich hatte ebenfalls angedeutet, dass es noch zwei weitere Rechtecke innerhalb dieses Systems gibt, die zwar keine Wurzel-Rechtecke sind aber mit dem “Goldenen Schnitt” zu tun haben. Auch diese Rechtecke sind aus einem Quadrat konstruierbar, sie gehören also ebenfalls zum oben genannten System von speziellen Rechtecken.
Der Goldene Schnitt
Zunächst eine Erläuterung zum Goldenen Schnitt. Streng genommen ist der Goldene Schnitt nach seiner Definition die Teilung einer Strecke, bei der das Verhältnis des längeren Streckenabschnitts zum kürzeren gleich dem Verhältnis der Gesamtstrecke zum längeren Abschnitt ist.
Hier eine grafische Verdeutlichung der Definition:
Die mathematische Definition des Goldenen Schnitts lautet: $ ( a + b ) / a = a / b $
Das Ergebnis dieser Berechnung ist eine irrationale Zahl - sie läßt sich nicht als Dezimalzahl oder als einfacher Dezimalbruch darstellen. Für praktische Anwendungen reicht natürlich ein Näherungswert - je nach notwendiger Genauigkeit gibt man mehr oder weniger Dezimalstellen an. Für fotografische Zwecke reicht es, sich die Zahl 1,618 zu merken. Das durch den Goldenen Schnitt erzeugte Verhältnis wird in der Mathematik üblicherweise Phi ($ Phi $) genannt.
Wenn Sie sich den Zahlenwert für Phi ansehen und diesen mit dem Prozentwert in der Grafik vergleichen, wird Ihnen auffallen, dass die Nachkommastellen gleich sind. Die beiden Zahlen unterscheiden sich genau durch den Wert 1. Das wird in der Folge interessant, wenn wir das Phi-Rechteck und seine Umkehrung betrachten:
Phi und das Goldene Rechteck
Was genau ist nun das Goldene Rechteck? Kurz gesagt ist das Goldene Rechteck ein Rechteck, dessen längere Seite zur kürzeren Seite im Verhältnis $ Phi:1 $ steht. In der obigen Grafik können Sie die Seitenverhältnisse sehen: $ (a + b) / a = a / b $
Die linke Seite der Gleichung ( $ (a + b) / a $ ) zeigt das Seitenverhältnis des Gesamt-Rechtecks. Das Seitenverhältnis entspricht Phi oder dezimal ausgedrückt 1,618.
Zieht man vom Gesamt-Rechteck ein Quadrat ab (der Einfachheit halber setzen wir a=1), dann bleibt das rot gefärbte Teil-Rechteck
übrig mit den Seitenlängen b=0,618 und a=1. Mathematisch ausgedrückt ist das Seitenverhältnis $ a / b $.
Laut der Definition des Goldenen Schnitts ist auch dieses Verhältnis wiederum Phi.
Daraus folgt: Auch das rot gefärbte Teil-Rechteck ist ein Goldenes Rechteck!
Genauer gesagt ist das rot gefärbte Teil-Rechteck die Umkehrung des Gesamt-Rechtecks. Umkehrungen von
Rechtecken haben das gleiche Seitenverhältnis wie das Ursprungsrechteck (siehe
Umkehrungen von Rechtecken und Diagonalen).
Als Formel ausgedrückt: $ 1 / Phi = Phi -1 $
Hier noch einmal eine Darstellung inklusive der negativen Diagonalen und ihrer Umkehrung.
Ausgehend von der Feststellung, dass zwei Rechtecke mit gleicher oder um 90 Grad gedrehter Diagonale das gleiche Seitenverhältnis haben, ist hier gut zu sehen, dass auch das eingefärbte Rechteck ein Phi-Rechteck oder Goldenes Rechteck ist - so wie das Gesamt-Rechteck. Optisch ist erkennbar, dass der Rest der Fläche ein Quadrat ist. Hier kommen wir zu einer sehr interessanten Eigenschaft des Phi-Rechtecks: die Aufteilung, so wie sie hier zu sehen ist, kann auch mit den Umkehrungen immer weiter fortgesetzt werden.
Rechteck der wirbelnden Quadrate
Hier der erste Schritt zur weiteren Unterteilung der Rechtecke:
Die Grafik zeigt, dass keine weiteren Diagonalen oder Umkehrungen von Diagonalen benötigt werden - die weitere Aufteilung “rotiert” quasi um den Schnittpunkt der Diagonalen und ihrer Umkehrung. Sehen wir uns den nächsten Schritt an:
Die nächste Unterteilung:
Und der nächste Schritt:
Diese weitere Unterteilung kann endlos fortgesetzt werden. Die entstehenden Quadrate und Phi-Rechtecke “wirbeln” um den Kreuzungspunkt der Diagonalen und ihrer Umkehrung in immer kleineren Größen ohne dass die Größe der Rechtecke jemals Null wird.
Die “wirbelnden Quadrate” können auch zur Approximation der Goldenen Spirale benutzt werden. Dabei wird in jedes Quadrat ein Viertelbogen eingezeichnet:
Geometrische Konstruktion des Phi-Rechtecks
Ausgangspunkt der Konstruktion ist wie bei den Wurzel-Rechtecken das Quadrat. Das Phi-Rechteck gehört deshalb auch zum System der speziellen Rechtecke in der Dynamischen Symmetrie, so wie alle Wurzel-Rechtecke.
Im zweiten Schritt konstruieren wir den Mittelpunkt auf der Basislinie des Quadrats indem eine Senkrechte vom Kreuzungspunkt der beiden Diagonalen gezogen wird.
Der Punkt M wird nun als Mittelpunkt eines Kreises benutzt, der den Abstand zwischen dem Punkt M und der rechten oberen Ecke des Quadrats als Radius benutzt. Dieser Kreisbogen wird bis zur Basislinie gezogen, wo der Schnittpunkt die Länge des Phi-Rechtecks bestimmt.
Vom Kreuzungspunkt des Kreisbogens ergänzen wir nun einfach das Rechteck durch die Senkrechte und die Verlängerung der oberen Kante.
Und da ist es - das Goldene Rechteck!
Ergänzung vom 07.03.2021: Der spanische Künstler Cristóbal Vila hat einige wunderschöne Videos gestaltet, die zum Beispiel auch das Goldene Rechteck und die goldene Spirale zeigen.
Frank Tegtmeyer (2020-05-28 18:59)
Danke für den netten Kommentar! Ein guter Anstoß, einmal wieder einen neuen Artikel zu beginnen.Christian von Ditfurth (2020-05-28 17:45)
Vielen Dank, dass Sie diese Einsichten zur dynamischen Symmetrie so ausführlich und gut erklärt “popularisieren”. Mir hilft das Konzept sehr beim Fotografieren.Machen Sie bloß weiter so.