Apples Sierra - oder: Ich bin ein Dinosaurier
Bezüglich Rechnerbenutzung bin ich wohl ein Dinosaurier.
Vor kurzem hat Apple sein neuestes macOS Betriebssystem als
kostenloses Update bereitgestellt. Auf der Webseite wird mit
tollen neuen Funktionen geworben. Diese habe ich mir einmal
kurz angesehen und in der Summe kann ich sagen: alles, was
vorgestellt wurde ist für mich völlig überflüssig.
Ich würde es sogar abschalten weil ich es als Zumutung oder als Sicherheitsrisiko empfinde. Meine Arbeitsweise ist scheinbar so antiquiert, dass ich nicht mehr so recht zu Apples Zielgruppe passe - das betrifft allerdings nicht nur Apple - die Entwicklung geht scheinbar überall in die gleiche Richtung.
Zu den beworbenen Funktionen:
Siri jetzt auch auf dem Mac
Hm. Die Sinnhaftigkeit dieser Funktion erschliesst sich mir schon auf dem iPhone überhaupt nicht, ausser man hat nur eine oder gar keine Hand oder man ist bewegungsmäßig so eingeschränkt, dass man einen Touch-Screen nicht mehr bedienen kann.
Für die Mehrzahl der Benutzer trifft das aber nicht zu. Ich fühle mich auch davon gestört, wenn Menschen mit ihrem Telefon oder Computer reden, als ob der ein vernunftbegabtes Wesen wäre - in der Regel ist man mit manueller Eingabe schneller am Ziel. Ich persönlich habe bei meinen (zugegeben wenigen) Versuchen, aus Siri vernünftige Antworten herauszubekommen noch nie Erfolg gehabt.
Warum ich jetzt diese unzuverlässige Methode auch noch am Desktop verwenden sollte, an dem ich auf der Tastatur wunderbar schnell tippen kann, bleibt mir ein Rätsel. Und ein komisches Gefühl bleibt auch, wenn dauerhaft das Mikrofon eingeschaltet ist - also wird Siri ausgeschaltet, wenn das geht.
Geräte übergreifende Zwischenablage
Das ist etwas, das durchaus Sinn macht, wenn man seine Arbeitsweise stark auf Cloud-Funktionen abstützt. Solange das schnell genug funktioniert, habe ich nichts dagegen.
Ich arbeite allerdings nicht so, dass ich ständig zwischen Geräten wechsle. Bisher habe ich eine solche Funktion nicht vermisst und werde es in Zukunft sicher auch nicht tun. Sollte die Cloud-Anbindung die lokale Zwischenablage ausbremsen, werde ich die Funktion garantiert abschalten. Die Zwischenablage muss in Zehntel-Sekunden funktionieren - wenn sie das nicht tut, bremst sie mich aus.
Automatisches Entsperren
Da ich keine Apple-Watch habe und auch nie eine haben werde, spielt das für mich überhaupt keine Rolle. Zudem wäre für mich die Funktion “Automatisches Sperren” viel wichtiger als “Automatisches Entsperren”.
Ich gebe lieber zehnmal mein Passwort ein als einmal meinen Rechner ungesperrt stehen zu lassen.
iCloud Drive
Ich benutze Cloud Drives nicht für reguläre Tätigkeiten. Ich arbeite lokal auf meinem System und habe kein Zweit- oder Drittsystem, auf dem ich die gleichen Tätigkeiten ausführen würde.
iCloud Drive ist bei mir seit Einführung abgeschaltet, das gilt ebenso für OneDrive auf Windows-Rechnern und Google Drive.
Die Frage, ob ich den Anbietern vertraue stellt sich für mich dadurch nicht, ebenso nicht, ob Softwarefehler bei der Synchronisation vielleicht meine Daten beschädigen.
Optimierter Speicherplatz
Ein genialer Schachzug von Apple, das muss man schon sagen. Die Leute, denen ihre eingebaute SSD-Platte zu klein ist damit ködern, Daten automatisch in die Cloud zu schieben, anstatt externe Festplatten anzuschliessen, ist schon eine tolle Idee. Es wird genügend Leute geben, die bequem genug sind, diese Lösung zu wählen und dann für zusätzlichen Cloud-Speicher zu bezahlen.
Ich persönlich habe etwas dagegen, billigen Speicher (externe Festplatte) durch teuren Speicher (Cloud) zu ersetzen, zusätzlich Bandbreite im Internet zu verbrauchen und von der Verfügbarkeit des Internet-Anschlusses und des Cloud-Providers abhängig zu sein, wenn ich zufällig die ausgelagerte Datei mal brauche.
Wenn ich eine Datei brauche, dann sofort und nicht erst nach einem eventuell langwierigen Download. Auch bei einer schnellen Internet-Leitung dauert es etwas, bis man mal eben fünf Gigabyte heruntergeladen hat.
Neue Funktionen in Fotos
Hallo, Apple? Für diese Funktionen hatte ich schon einmal beim Kauf von Aperture bezahlt.
Dann wurde entschieden, das Programm nicht mehr zu unterstützen, OHNE einen gleichwertigen Ersatz anzubieten. Ich war gezwungen ein halbes Jahr lang meine Aperture-Library halb-manuell in Lightroom zu übertragen, um keine Metadaten zu verlieren. An dieser Stelle noch einmal vielen Dank für die zusätzliche Arbeit!
Fotos ist seitdem für mich tabu. Ich fasse es nicht an, auch wenn es langsam wieder an Aperture heranreichen sollte.
Nachrichten - noch interessanter
Ich kann jetzt riesige Emojis senden? Ich kann Nachrichten ein Herz verpassen?
Sorry, Apple, aber ich bin nicht mehr zwölf Jahre alt. Ich kommuniziere schon seit 1990 über E-Mail. Wenn ich eine unmittelbare Kommunikation brauche, kann ich anrufen. Ja, ich weiss - ich bin ein Dinosaurier.
iTunes verbessert
Ich gebe hier zu - ich höre Musik noch von CDs oder sogar von Schallplatte. Ich benutze weder Streaming-Dienste noch Web-Radio oder Podcasts. iTunes ist für mich eine der am wenigsten genutzten Anwendungen überhaupt.
Tabs
Eine sinnvolle Erweiterung, auch wenn es ohne sie geht. Über das Dock kann ich ebenso schnell Fenster wechseln. Auch im Finder benutze ich lieber mehrere Fenster als Tabs - ich vermute, das wird auch bei anderen Anwendungen so sein. Aber wer weiss - vielleicht ist es an einigen Stellen hilfreich.
Bild in Bild für Videos
Ich habe keine Ahnung, wozu das gut sein soll. Entweder ich will ein Video ansehen - dann tue ich das auch - oder ich will etwas anderes machen. Dann halte ich das Video an und schaue später weiter.
Ich höre auch nicht nebenbei Radio oder lese ein Buch, wenn ich den Fernseher an habe.
Zusammenfassung
Wie man sieht, würde mir ein Update nichts bringen, was ich wirklich für meine Arbeit am Computer brauche. Im Gegenteil - vermutlich muss ich mich dann wieder mit Einstellungen herumschlagen, um diverse Funktionen an die Leine zu legen.
Aber wie war das nun mit den Dinosauriern? Richtig: die sind ausgestorben.
Ich hab noch keine Lust auszusterben, also werde ich das Update doch installieren. Die diversen Programme die ich einsetze entwickeln sich ebenfalls weiter und es ist fraglich, wie lange neuere Versionen noch die alten Betriebssystem-Versionen unterstützen. Also beisse ich in den sauren Apple und hole mir Sierra.
Update (Januar 2017)
Inzwischen habe ich Sierra installiert und kann eigentlich keine Änderung zur Vorgängerversion feststellen, die mir auffällt. Zumindest ist nichts schlechter geworden.
Ich musste nur mit der Installation warten, da Apple das Mail-Programm inkompatibel verändert hat, so dass mein GPG-Plugin nicht mehr funktioniert hätte. Inzwischen gibt es für das Plugin eine Beta-Version die auch ganz gut funktioniert, so dass der Umstieg gewagt werden konnte.